Im Garten zählen nur die Sonnenseiten? Im Schatten wächst mehr, als man denkt.
Wo im Garten keine Sonne hinkommt, ist es dunkel, im besten Fall kühl und feucht. So etwas verspricht zwar an heißen Sommertagen Erholung. Die restlichen Monate scheint Schatten in unseren Breiten aber ein Nachteil zu sein. Diese Plätze haben offenbar einfach Pech, weil Bäume oder Wände den Weg zum Licht verstellen. Rittersporn und Petunien, Sonnenhüte und Rosen wollen dort einfach nicht wachsen. Das macht den Schatten zum Problem.
Allerdings zu einem, das selbstgemacht ist – durch Ahnungslosigkeit und verschlossene Augen angesichts des Reichtums der Pflanzenwelt. Denn ein Blick in den Wald zeigt: Der Schatten lebt. Abgesehen vom tiefen Nadelwald, wo nur weniges genügend Wasser und Nährstoffe findet, ist der Raum unter Bäumen höchst lebendig und bietet eine vielfältige Flora. Hier wachsen Gräser, Pilze und Bärlauch, hier blühen Buschwindröschen, Lerchensporn, Leberblümchen und Fingerhüte.
Große Vielfalt an Schattenpflanzen
Erfahrene Gärtner sehen den Schatten sogar oft eher als Segen denn als Fluch. Nicht nur allein wegen der großen Auswahl an attraktiven Pflanzen: Gehölze wie Hartriegel und Ilex, Hamamelis und Magnolien, schließlich Bodendecker wie Kriechender Beinwell (Symphytum ibericum) und Großblättriges Schaumkraut (Pachyphragma macrophyllum).
Sondern vor allem, weil es sich besonders pflegeleicht arbeiten lässt: Eine geschlossene Bodendecke kann man hier problemloser erzeugen als in der Sonne. Dabei muss man nicht zu Dickmännchen (Pachysandra terminalis) greifen, die zum Standardrepertoire gehören und Flächen zwar hübsch, aber etwas phantasielos begrünen. Eine schöne Bodendecke entsteht zum Beispiel auch mit zauberhaften Elfenblumen (Epimedium), mit der goldgelb blühenden Waldsteinia oder mit dem niedrigen Kaukasus-Beinwell (Symphytum grandiflorum). Wenn die Pflanzabstände richtig gewählt sind, kann der Platz nach zwei Jahren so zugewachsen sein, dass er kaum noch Pflege benötigt.
Blattformen und unterschiedliche Grüntöne bilden den Schwerpunkt in solchen Gartenbereichen. Was im Sonnenbeet die Blüten, übernehmen im Schatten die unterschiedlichen Laubstrukturen. Zarter Frauenhaarfarn (Adiantum venustum), samtiger Frauenmantel (Alchemilla mollis) zwischen gerippten Hosta, der gefiederte Straußenfarn (Matteuccia struthiopteris) vor dem kräftigen Schaublatt (Rodgersia podophylla) – alles interessante Kombinationen fürs Halbdunkel.
Der Schatten wandert
Schatten ist nicht immer gleich. Er wandert im Tages- und Jahreslauf, kann tief sein, von Mauern, und licht von Bäumen und Sträuchern. Für die meisten Pflanzen ist es ideal, wenn er in die Mittagszeit fällt, Sonne am Morgen und Abend zulässt. An vielen Stellen ist er erst nach dem Laubaustrieb vorhanden, vorher fällt genügend Licht auf die Erde.
Das nutzen die Gewächse aus, die schnell zur Blüte kommen und sich im Sommer zurückziehen. Dazu gehören Schneeglöckchen und Bärlauch, Blausterne (Scilla sibirica), Buschwindröschen (Anemone nemorosa) und Hohler Lerchensporn (Corydalis cava). Richtig bepflanzt, können diese Flächen bis in den Mai hinein bunt blühen.
Wo wirklich keine Sonne hinkommt, sind Blattschmuckstauden gefragt. Auch sie brauchen jedoch Licht zur Photosynthese – notfalls die Bäume etwas auslichten. Hier lassen sich zum Beispiel der Hirschzungenfarn (Asplenium scolopendrium) mit Großblättrigem Kaukasusvergissmeinnicht (Brunnera macrophylla), Gewöhnlicher Haselwurz (Asarum europaeum) und Schwarzfrüchtigem Christophskraut (Actaea spicata) kombinieren. Am etwas helleren Standort wachsen violett blühender Knotiger Storchschnabel (Geranium nodosum), Felsen-Storchschnabel und Goldnesseln (Lamium).